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Ausschnitt aus der Karte Novissima Africæ Descriptio aus dem Rostocker Großen Atlas zeigt Madagaskar und rechts oben die Seychellen

Der Rostocker Große Atlas und ein Bild von der Macht

Anlässlich seines 360. Geburtstags präsentierte das Kulturhistorische Museum Rostock eines der größten und bedeutendsten Bücher der Welt in einer eigens dafür konzipierten Ausstellung. 

Plakat zur Ausstellung "Ich, Christian I. Louis" im Kulturhistorischen
Museum Rostock | Foto: Kulturhistorisches Museum


Sein Erstbesitzer, Herzog Christian I. Louis von Mecklenburg-Schwerin gehörte zu den schillerndsten Figuren der mecklenburgischen Landesgeschichte des 17. Jahrhunderts. Der Rostocker Große Atlas ist einer von drei sogenannten „Riesenatlanten“, die im 17. Jahrhundert im Verlag des berühmten niederländischen Kartographen und Kupferstechers Joan Bläue (1596 - 1673) entstanden. Das drittgrößte Buch der Welt misst 1,67 m x 1,02 Meter. Es entstand 1661 bis 166 und kostete den Herzog Christian I. 750 Gulden. Das entspricht etwa zwei Jahresgehälter eines niederländischen Handwerkers. Die Sammlung enthält 31 aufwändig gestaltete beidseitige Kartendruck und einer handgezeichneten Karte und wurde von Kors Dierksen und dessen Sohn zusammengestellt und gebunden. Die Handzeichnung ist eine großformatige Kopie der Karte von Mecklenburg, die 1622 vom Rostocker Professor Johann Lauremberg angefertigt wurde.  

 Christian I. Louis, nach 1663 Kupferstich/ Papier


 Der Rostocker Große Atlas während einer Ausstellung in einer Vitrine im Kulturhistorische Museum Rostock mit der Karte von Deutschland 1659

Der Einband ist aus Rindsleder und Ebenholz. Das bedeutende und nicht nur wegen seiner Größe beeindruckende Buch wird aus konservatorischen Gründen nach einer Restauration 1970 in Leipzig, wo es erstmal Bekanntheit erlangte, zum ersten Mal in dieser Ausstellung gezeigt. Bis 1950 lag es öffentlich aus und jeder durfte darin blättern. Frühestens nach 10 Jahren wird der Rostocker Atlas aus seinem klimatisierten Raum geholt.

Der Rostocker Große Altas wiegt 120 kg und diente dekorativen Zwecken, um zu zeigen, ich bin wichtig.


Ein Bild der Macht. Handgezeichnet Karte von Mecklenburg vor 1664 im Rostocker Großen Atlas soll zeigen: Mecklenburg gehört zu den großen Territorien; abgenutzt, weil oft gezeigt: „Seht, dies ist das Land, das ich regiere.“

Filmisch sehr gut gemachte Beiträge über den Rostocker Atlas.

https://www.ub.uni-rostock.de/universitaetsbibliothek/ueberblick/universitaetsbibliothek/rostocker-grosse-atlas/
Hier sind die einzelnen Karten gemeinfrei verfügbar.
https://rosdok.uni-rostock.de/resolve/id/rosdok_bundle_0000001207


„Die Malkunst“ Jan Vermeer. Atlanten dienten als Wanddekoration. /1673



Zwischen Anspruch
und Ohnmacht

Christian I. Louis war nicht nur wegen des Namens ein ungewöhnlicher Fürst. Er regierte 1658 bis 1692 in einer schwierigen Zeit. Schon seine Zeitgenossen waren geteilter Meinung über ihn, da er die längste Zeit im Ausland verbrachte. Der Wechsel zum katholischen Glauben und die Heirat mit einer Französin trugen zu diesem Bild bei.
Bei Christian I. Louis lagen Interessen und Dessinteresse, Verschwendung und Sparsamkeit, politischer Ehrgeiz und Scheitern eng beieinander. Er war von seiner herausgehobenen Rolle fest überzeugt und erwartete Gehorsam von seiner Umgebung. Streit war häufig abzusehen. Dennoch war er begabt und ambitioniert und ganz Kind seiner Zeit. Christian I. Louis trug eine Bibliothek zusammen und sah auf seinen Reisen mehr von Europa als viele seiner Zeitgenossen.
Die Folgen des Dreißigjährigen Krieges und die leeren Kassen setzten seine Ambitionen enge Grenzen. Er versuchte deshalb, seine Herrschaft durch Allianzen mit den großen Mächten Europas zu sichern.

Herzog Christian I. Louis von Mecklenburg-Schwerin als Triumphator über das Böse, Portrait im Kreismuseum Lauenburg


Geboren in
Schwierigen Zeiten

Christian wurde am 1. Dezember 1623 in einer unruhigen Zeit in Schwerin geboren. Seine Jugend war von den Folgen des Dreißigjährigen Krieges geprägt. 1628 verlor seine Familie das Herzogtum an Albrecht von Wallenstein. Der Prinz wurde mit seinem Bruder Karl bei Königin Marie Eleonore von Schweden erzogen.
Die Rückkehr der Herzöge nach Mecklenburg 1631 war von vielen Zugeständnissen geprägt. Dies schadetet der Durchsetzungskraft ihrer Herrschaft. Von den beiden großen Hafenstädten war Mitte des 17. Jahrhunderts nur noch Rostock in mecklenburgischer Hand. Wismar war an Schweden gegangen.
Als er das Herzogtum 1658 übernahm, stand Christian I. Widerständen gegenüber. Die an den Grenzen stehenden Mächte, oft enge Verwandte, setzten den Ambitionen enge Grenzen. Die Herrschaft in Mecklenburg war geteilt. Er musste auf seinen Cousin Gustav Adolph von Mecklenburg-Güstrow Rücksicht nehmen. Oft verweigerten die mächtigen Stände aus Adel und Städten die Zustimmung zu seiner Politik

Christian als einjähriger angelehnt an einem Stuhl. Im Hintergrund sein Vater Adolf Friedrich I. mit seiner Frau Anna Maria, die als er zehn war starb.


 

Wissensdurst.

Ausbildung fern vom Hof
Zurück an der Macht, ließ Adolf Friedrich I. von Mecklenburg-Schwerin seine Söhne Cristian und Karl gemeinsam mit dem Güstrower Erbprinzen Gustav Adolph ab 1632 in Bützow ausbilden.
Sein Vater Adolf Friedrichs I. war mit ihm nicht zufrieden, kontrollierte und maßregelte ihn ständig.
Der Vater legte Wert auf eine sorgfältige Bildung in Sprachen und Wissenschaften. Die Ausbildung war sorgfältig wie bei Fürsten in dieser Zeit üblich. Dazu gehörten antike Autoren, Mathematik, Geschichte, Geographie, Logik, Rhetorik und Ethik, Staats- und Rechtswissenschaften. Der Schüler Christian jedoch war widerspenstig und desinteressiert, wie die Lehrer berichteten.
Christian litt unter der harten Art seines schroffen Vaters. Auch später blieb das Verhältnis der beiden gestört. Er vermied so oft es ging, den Aufenthalt in der Residenz Schwerin.
Eine ausführliche Biographie finden Sie unter dem Titel:
Studien zur Geschichte des Herzogs Christian (Louis) (1658-1692) I. : Herzog Christian vor seiner Thronbesteigung von Oberlehrer Dr. Richard Wagner auf folgender Webseite:
https://mvdok.lbmv.de/mjbrenderer?id=mvdok_document_00003386

Vater und Sohn.

Zwei Fürsten im Streit

Das Vater-Sohn-Verhältnis war lebenslang gestört. Von klein auf wurde Christian außerhalb des Landes erzogen, meist in Abwesenheit des Vaters. „Eine Erziehungsmaßnahmen war beispielsweise, dass er diesen quirligen und wahrscheinlich oft sehr ungezogenen kleinen Jungen dann am Tischbein band – stundenlang. … Es ist auch überliefert, dass Christian auch zeit seines Lebens ungern im Schweriner Schloss aufhielt, dass könnte auch was mit Prägung zu tun gehabt haben, weil er da keine nette Jugend hatte.“
1641 trat er seine erste Grand Tour, eine Reise in die Niederlande, an. Nach der Rückkehr und einem Zerwürfnis mit seinem Vater verließ er Schwerin. Und reiste nach Holland und Frankreich, obgleich die Finanzen keine standesgemäße Finanzierung einer solchen Reise zuließen. 1646 wieder im Land, eskalierte der Konflikt mit Vater wegen der Ansprüche auf das Bistum Schwerin und den Unterhalt. Christian mied den Hof und hielt sich meist auf den ihn zum Unterhalt zugewiesenen Ämtshöfen auf oder weilte im Ausland.
Seine durch Vater Adolf Friedrich I. knapp gehaltenen Kassen versuchte er hinter dessen Rücken durch die Anwerbung von Soldaten für fremde Mächte in Mecklenburg aufzubessern.
Der Vater hielt ihn von einer Beteiligung an der Regierung fern und benachteiligte ihn in seinem Testament. Das schlechte Verhältnis führte letztendlich dazu, dass Christian, anders als seine Brüder, nicht auf die Regierung vorbereitet war.







Plötzlich Herzog.

erste Versuche
Der Vater hatte ihn von der Regierung ferngehalten. So war Christian, anders als sein Bruder, nicht auf die Regierung vorbereitet.
Christian I. machte als Herzog ab 1658 vieles anders als sein Vater. Er versuchte, einen Eindruck vom Zustand des Landes zu erhalten. Die Schäden durch fremde Armeen wurden verzeichnet.
Er erkannt die Landesteilung von 1621 nicht an und strebte gegen seinen Cousin Gustav Adolph von Mecklenburg-Güstrow die Vorherrschaft an. Außenpolitisch suchte Christian in den Krisen nach dem Dreißigjährigen Krieg nach starken Bündnispartnern. 

Schweriner Schloss


Christine Margarthe – 

Eine (un)eigennützige Ehe

 Christians erste Ehefrau war seine ältere Cousine Christine Margarthe. Da sie den Calvinismus angehörte, wurde die Ehe gegen den Willen seines Vaters geschlossen. Der Bund versprach ihm Freiheiten, Güter und einigen Wohlstand. Die Herzogin von Sachsen-Lauenburg war 1642 Alleinerbin ihres verstorbenen Mannes geworden. Als Christian I. sich weigerte, die geliehen Güter zurückzugeben, verließ sie 1652 ihren Gatten und ging an den Hof Herzogs August von Braunschweig-Wolfenbüttel. Als alle Versuche scheiterten, sie wieder zu sich zu holen, beantragte Christian I. die Scheidung. 1663 trat er zum Katholizismus über. Der Papst annullierte die Ehe und der Kaiser bestätigte die Scheidung. Herzogin Christine Margarthe 1650





Netzwerk Familie.

Zwischen Verwandtschaft
und Politik gefangen

Die Herzöge zu Mecklenburg waren dynastisch weit vernetzt. Die Könige von Dänemark und Schweden, die Kurfürsten von Brandenburg, die Herzöge von Schleswig von Holstein, von Braunschweig und Lüneburg, die Landgrafen von Hessen und viele andere Dynastien waren ihnen verwandtschaftlich verbunden. Agierte Mecklenburg im 16. Jahrhundert noch auf Augenhöhe, hatte sich das Bild nun aber gewandelt. Das Ausland nahm oft Einfluss auf die mecklenburgische Politik.
Im Land standen sich zwei regierende Familien gegenüber. Die Herzöge von Mecklenburg-Schwerin und die Herzöge von Mecklenburg-Güstrow stritten um die Macht. Christians Vater Adolf Friedrich I. und sein Onkel Johann Albrecht II. hatten das Land 1621 unter sich geteilt. Die Cousins Christian I. und Gustav Adolph hatten den Konflikt übernommen.
Auch innerhalb der Familie Christian I. gab es Streit um die Macht. Der Vater Adolf Friedrich I. hatte seine Söhne Karl und Christian gefördert, Christian aber zurückgesetzt. So wurden aus den Brüdern Gegner im Streit um das Erbe.
Er musste auf seinen Cousin Gustav Adolph von Mecklenburg-Güstrow Rücksicht nehmen und fühlte sich vor seinem Bruder zurückgesetzt. „Alle sind gegen mich.“ Er schafft es nicht, die notwendigen Allianzen und Bündnisse mit seinem Cousin, mit den Brandenburgern, Schweden usw. aufzubauen.
Auch die notwendige Belehnung durch den Kaiser scheiterte. Er erkannte die Landesteilung nicht an und strebte gegen seinen Cousin die Vorherrschaft an.

Mecklenburg.

ein schwieriges Terrain
Im Mecklenburg war es nicht leicht zu regieren. Die Herzöge von Mecklenburg-Schwerin und die Herzöge Mecklenburg-Güstrow stritten um die Macht.
Landtag, Steuererhebung, Außenpolitik und die Stadt Rostock blieben gemeinsame Aufgaben beider Herzöge. Christian I. in der Residenz Schwerin war in so vielem auf seinen Cousin Gustav Adolph in der Residenz Güstrow angewiesen.
Im Stiftsland Bützow regierten die Dänen. Im Landtag der Stände wurde selbst eigene Politik, oft gegen die Herzöge, gemacht. Und in den kleineren Städten agierten Familienmitglieder des Fürsten, jüngere Brüder, Schwestern und Witwen. Auch sie pochten auf ihren Teil an der Macht.
Außenpolitisch sahen sich die mecklenburgischen Herzöge nach den Verträgen des Westfälischen Friedens 1848 am Ende des dreißigjährigen Krieges einem veränderten Mächtesystem gegenüber. Mecklenburg wurde zunehmend zum Spielball weit stärkerer Fürsten.


Das Herzogtum Mecklenburg war 1622 in zwei Teile, das Herzogtum Mecklenburg-Schwerin mit der Residenz in Schwerin und das Herzogtum Mecklenburg-Güstrow mit der Residenz Güstrow, geteilt.


Unstetes Reisen.
das Ausland als Ausweg

War es Interesse oder doch eine Flucht? Zentrales Motiv der Regierung Christian I. Louis waren die Aufenthalte im Ausland.
Zunächst waren es Kavalierstouren, Teil der Fürstenausbildung. Dann folgten Reisen aus politischen Gründen, um Allianzen zu schmieden. Der Kaiser verweigerte die Hilfe. So wandte sich Christian nach Frankreich. Zunächst skeptisch, ging Frankreich doch eine Allianz mit Mecklenburg-Schwerin ein. Nun hielt er sich meist in Paris und Versailles auf. Immer wieder unternahm der abwesende Herzog aber
auch weitere, oft spontan geplante Reisen in andere Länder Europas. Das nach dem 30-jährigen Krieg heruntergekommenen Schweriner Schloss war für ihn keine angemessene Residenz als Herzog.
Im Ausland, so sein es, wurde seine Stellung als Fürst besser gewürdigt als im eigenen Land. Die ersten diplomatischen Erfolge schienen das zu stützen. Der Herzog erlebte die hohe Kultur und Bildung in den westeuropäischen Ländern, ein Vorbild für ihn selbst.
Als der Aufenthalt im Frankreich kriegsbedingt unmöglich wurde, lebte Christian I. Louis in den Niederlanden.


Christian.
Der Reiseherzog
Junger Fürst auf Reisen – Zwei nicht konfliktlose Grandtouren
1641 bis 1646

Ein junger Fürst des 17. Jahrhunderts wurde auf Reisen zu seiner Ausbildung geschickt. Oft reiste er inkognito, aber immer mit einem Aufpasser, einem Begleiter und Lehrer. Ziele solcher Reise waren zumeist die Niederlande, England, natürlich Frankreich und oft auch Italien. Christian wurde von seinem Vater Adolf Friedrich I. 1641 auf seine erste Grandtour geschickt. Sie führte über Hamburg in die Niederlande.
Die zweite Grandtour erstritt sich der junge Fürst 1643 im Konflikt mit seinem Vater. Auch dieses Mal reiste er wieder in die Niederlande und weiter nach Frankreich.


Das Große Erlebnis.

Amsterdam und Den Haag
Amsterdam war in der Zeit Christians I. Louis ein beeindruckender Ort. Die Stadt hatte seit dem 16. Jahrhundert im sogenannten „Goldenen Zeitalter“ des 17. Jahrhunderts einen beispiellosen Aufschwung erlebt.
Schon um 1600 hatte sich immenses Kapitel in Amsterdam gesammelt. Handelsexpeditionen nach Asien und Amerika wurden finanziert. Da sich die Spanier auf die Engländer und Franzosen als Kriegsgegner konzentrierten, wagten sich die Niederländer immer weiter auf die Meere hinaus, erschlossen weitgehend ungestört neue Seewege und gründeten Kolonien. Dank der wirtschaftlichen Blüte, die durch den Handel mit der Ost- und Westindischen Kompanie ermöglicht wurde, stieg die Stadt zu einer der wichtigsten Handelsmetropolen der Welt auf.
Den Haag war 1648 Residenz der Statthalter der Republik der Sieben Vereinigten Provinzen geworden und erlebte danach einen bedeutenden Aufschwung. In den Niederlanden blühten Kultur, Kunst und Wissenschaften. Hier traf sich die Welt. Für den mecklenburgischen Herzog war der Aufenthalt eine beeindruckende Erfahrung. Zuerst staffierte Christian I. sich erst einmal standesgemäß großzügig aus. Immer kehrte er in die Niederlande zurück.


Karte der 17 niederländische Provinzen vereint als Burgundischer Reichskreis. Kupferstich/Papier Amsterdam 1658


Kartenbegeisterung.
Der Herzog als „Geograf“

Der ideale Fürst verfügt meist über einen prestigeträchtigen Bücherschatz. Christian I. Louis besaß nicht nur eines der größten Bücher der Welt, sondern auch eine Ausgabe des teuersten Atlanten seiner Zeit. Seine Bücher waren Ausdruck von Bildung, aber auch von Macht.
Mathematik, Geografie und Kartegrafie schienen das besondere Interesse Christians I. Louis zu finden. Er besaß zahlreiche Bücher aus diesen Bereichen.
Herzog Christian I. Louis fügte seinem Riesenatlas eine Mecklenburgkarte bei. Das Buch ist Ausdruck des fürstlichen Selbstverständnisses. Er stellte sich mit ihm in die Reihe mit dem König von England und dem Kurfürsten von Brandenburg. So fungiert ein Buch als Stellvertreter des Fürsten.
Wahrscheinlich sandte er den Atlas in seine Residenz nach Schwerin. 1772 kam er in die Bibliothek der Universität Bützow. Durch die Vereinigung mit der Rostocker Universität 1789 gelangte das Buch nach Rostock.


Gegen den Vater – Reisen auf der Suche nach Allianzen

1646- 1658
Nach der Rückkehr von seiner zweiten Auslandreise blieb das Verhältnis zur Vater Adolf Friedrich I. schlecht. Der junge Herzog mied den Hof und die Residenz Schwerin und hielt sich oft in Stintenburg am Zarrentiner See auf. Zugleich reiste er auf der Suche nach Allianzen zu seinen Verwandten und an fremde Höfe.


Zum Kaiserhof.
Reisen zur Sicherung der Macht
1659 bis 1661

Am Anfang seiner Herrschaft bemühte sich Christian I. um die notwendige Belehnung durch den Kaiser. Zugleich suchte er Allianzen gegen die jüngeren Brüder, die ein Beteiligung an der Herrschaft forderten.
So reiste Christian I., erneut nach Hamburg, Richtung Süddeutschland und Österreich, um eine Audienz beim Kaiser zu erhalten. Am Ende standen die Belehnung und die Rückkehr nach Mecklenburg. Allerdings mied der Herzog auch hier wieder die Residenz Schwerin, blieb in Hamburg oder Stintenburg und inspizierte von dort aus auf Reisen sein Herzogtum.


Neue Allianzen – Die große Reise in die Niederlande und nach Frankreich
1661 bis 1667

1661 brach Christian I. zu seiner wichtigsten Reise in die Niederlande und nach Frankreich auf. Vor allem in Paris suchte er Partner und Allianzen. Ausgehend von seinen positiven Erlebnissen auf den beiden Reisen in seiner Jugend wurde aus dem Besuch ein beinahe dauerhafter Aufenthalt. Nun kehrte Christian I. aus dem Ausland immer wieder in sein Herzogtum zurück.


Nach Italien – Eine wohl spontane Entscheidung
1667 bis 1671

1667 machte sich Christian I. Louis auf den Weg zum Hof des Kaisers in Wien. Er nutzte den Aufenthalt und die Nähe Österreichs zu Italien zu einer wohl spontanen Reise nach Italien, wo er die bevorzugten Ziele des 17. Jahrhunderts besucht.
Von dort kehrte er 1668 über Mecklenburg und Süddeutschland wieder nach Paris zurück, wo er rechtzeitig zur Eröffnung der Gärten des Schlosses Versailles wieder anwesend war. Ende des Jahres brach er dann wieder nach Mecklenburg auf.

 

Das Werk beschreibt den feierlichen Einzug des französischen Königs Louis XIV. Mittendrin hoch zu Ross und seiner Ehefrau Marie-Therese die Königin in der Kutsche am 26. August 1660 auf dem Weg vom Chateau nach Paris, wenige Wochen nach ihrer Hochzeit in Saint-Jean-de-Luz. Merlen, 1665



Die Zweite Ehe.
Isabelle Angelique de Montmorency und die Politik

Das Bündnis Frankreich-Mecklenburg wurde 1664 durch eine Heirat untermauert. Die Partie war erstklassig, aber nicht ohne Konflikte.  Christian I. will an ihr Geld und in ihren Palast einziehen. Beides verwehrt sie ihm durch einen Heiratsvertrag abgesichert. Dann sehen sie sich nicht mehr häufig, sie gehen jeder seiner Wege. Sie nerven sich immer noch.  Die aus einer renommierten Familie stammende Herzogin von Montmorency-Bouteville war reich, klug, ambitioniert und politisch versiert. Sie besteht auf die Regentschaft in Mecklenburg und tut das später auch sehr klug. Sie schafft es Bündnisse mit Brandenburg, seinem Cousin Gustav Adolph in Güstrow, den Nachbarterritorien und den Schweden. Dennoch war ihre Stellung am Hof nicht unangefochten, auch weil sie französische Bedienstete mitgebracht hatte. Die Mecklenburger warfen ihr Verschwendung vor. Christian I. Louis mischte sich aus dem Ausland in die Regierung ein. 1673 entsandte er Soldaten zur Überwachung seiner Gemahlin, die dagegen protestierte. Sie beschwerte sich über die Behandlung bei König Ludwig XIV., der Christian I. Louis deshalb unter Hausarrest stellte, bis er seiner Gemahlin im April 1673 die Abreise aus Schwerin gestattete.
Christians mecklenburgische Verwandte lehnten die Heirat ab, dass sie eine katholische Fürstin ist. Die Landstände sahen sie als Affront gegen den Glauben. Die Herzogin blieb daher in Paris und mischte sich in die Politik am französischen Hof ein.
Als Ludwig XIV. 1672 Krieg gegen Holland führte, reiste Christian und Isabelle Angelique nach Mecklenburg. Christian Louis zog mit Soldaten zur Unterstützung seines Schwagers nach Holland. Seine Frau blieb als Regentin in Schwerin. Christian I. Louis misstraute ihrer Regierung. Abgesetzt, kehrte Isabelle Angelique nach Frankreich zurück. Liselotte von der Pfalz sagte über Isabelle Angelique „Sie war viel klüger als ihr Mann.“ 

Vermutlich Geschenk zur Hochzeit, wurde zurückgelassen bei einer Hofdame; Kabinettschränkchen aus Elfenbein aus dem Besitz der Herzogin Isabelle Angelique von Mecklenburg-Schwerin/ Augsburg, nach 1650, Elfenbein auf Holzkorpus, vergoldete Messingapplikationen




Die fast erzwungene Heimführung – Die Vorstellung seiner Gemahlin in Mecklenburg
1671 bis 1688

1672 konnte Christian I. Louis sich nicht mehr wehren. Er musste die lange verschobene Heimführung seiner Gemahlin in seine Residenz absolvieren. Isabelle Angelique, die das seit Jahren gefordert hatte, ließ ihn zunächst in Amsterdam warten. Im April 1672 fand die Zeremonie in Schwerin statt. 

Christian I. Louis setzte am 6. Juni 1672 seine Frau als Regentin ein und reiste danach sofort wieder ab. Zunächst war er wieder im Militär, zur militärischen Unterstützung Frankreichs in die Niederlande und geriet danach in Paris in Konflikt mit dem König. Dieses Mal wich er nach England aus, reiste nach Hamburg, in die Niederlande und wieder nach Paris. Die Konflikte mit dem König und der Geldmangel nahmen nun immer mehr zu.


Paris wird unmöglich – Das Reich mit Frankreich im Krieg
1688 bis 1692

1688 brach der Pfälzische Erbfolgenkrieg aus. Christin I. Louis stand als Reichsfürst nun automatisch auf der Feindesliste. Er musste Paris und Frankreich verlassen und kehrte niemals zurück. Er blieb nun bis zu seinem Tod 1692 in den Niederlanden. Er kehrte als Lebender nie nach Mecklenburg zurück.

Auf der Suche nach Allianzen.
Der Herzog und Frankreich im Bündnis

Seine Bemühungen gegen die Widerstände im Land, die Weigerung des Kaisers, ihn gegen die Landstände zu unterstützen, und ein Bündnis mit Brandenburg 1661 waren gescheitert. Von seinen früheren Kavalierstouren hat Christian I. angenehme Erinnerungen vom französischen Hof und traf den Sonnenkönig im Alter von 5 Jahren.
Anfang 1662 knüpfte Christian Kontakte zu Ludwig XIV. und wurde auf Einladung nach anfänglichem Misstrauen der Franzosen ehrend am französischen Königshof aufgenommen. Das muss wohltuend auf sein hohes Verständnis von seiner Rolle als Fürst gewirkt haben.
Die Bindung an Frankreich wurde durch Heirat, Konfessionswechsel, Partnerschaft und Ordensverleihung untermauert. 1663 trat Christian zum katholischen Glauben über, was ihm auch die Scheidung ermöglichte. Kurz darauf nahm er den Beinamen Louis an. Kurz darauf gewährte Ludwig dem Herzog das Bündnis, von dem sich Frankreich Einfluss im Ostseeraum versprach.


Diplomatie am fremden Hof.
Bei Ludwig XIV. und in Versailles

Am Hof des Sonnenkönigs trat Christian I. Louis standesgemäß als deutscher Reichsfürst auf. Er kostete die Vorzüge der Weltstadt aus und nutzte die Nähe zur Macht. Auch, wenn das Geld dazu oft fehlte.
Ludwig und Christian näherten sich an. 1663 trat der Lutheraner aus Mecklenburg zu katholischem Glauben über. Er nahm den Namen Louis zu Ehren seines königlichen Paten Ludwig XIV. an.
Der Auslandshof in Paris war klein aber standesgemäß. 1672 verzeichnetet der Hofstaat insgesamt 42 Personen, davon 12 Reiter der Garde.

„… nun werde ich endlich in meiner Stellung geachtet.“
Der entbehrliche Müßiggänger.
Christian I. ist ein regierender, souveräner Fürst und vom Rang steht er ganz wenig unter Ludwig XIV., somit darf er in der ersten Reihe am Hofe stehen. Er darf an der zentralen Zeremonie beim Aufstehen und Zubettgehen des Königs im Schlafzimmer von Ludwig XIV. teilnehmen. „Der hat ‘ne Nummer am Hof.“ Christian I. hat denselben Perückenmacher und Barbier, dasselbe Medaillon- und Glücksmeister, eine Sonne auf dem Harnisch und Buchbinder. wie der König. Der Fürst orientiert sich an Ludwig. Ludwig XIV. hieß auch Louis. „Und das kleine Dorfschloss im Heiligen römischen Reich ist nach dem Vorbild von Versailles gebaut worden.“ 1660-1662 ließ Herzog Christian I. Louis hier ein prachtvolles Lustschloss mit vergoldeten Türmen errichten. Da er jedoch am Fundament sparte, wurde nur hundert Jahre später ein Neubau erforderlich. Bild: Versailles


Bei einer ersten Audienz beim König sagte Christian nach einem Mustern. „Sie sind aber klein“ König: „Ich bin ja auch gewachsen.“ Pause. „Ich sehe aber besser aus.“ 

Der König war amüsiert, galt Christian I. im Ansehen Frankreichs als unkultiviert, streitsüchtig und bankrott.
Am Hofe von Versailles und am Hof von Paris hat der Adel keine besondere Meinung von ihm.
Übertriebene Hofkritik und -Tratsch beschrieben ihn auch wie folgt:
„Er steht bei jedem Anlass in der ersten Reihe. Seine Interessen sind vielseitig. Doch beschränkt er sich nur auf das Zuschauen. Er weiß nichts, was er wissen sollte und tut auch nicht das, was er tun könnte. Dafür hat er alles gesehen, was man sehen kann. Durch seine gekünstelte Art erscheint er vielen als alberner Nichtstuer.“



Bild: König Ludwig XIV., auch der Sonnenkönig


Regierung per Brief
In Mecklenburg-Schwerin erschwerte die Abwesenheit des unstet reisenden Herzogs die Verwaltung. Egal, wo er weilte, wollte Christian I. Louis immer die letzte Entscheidung treffen. Er fühlte sich von Gottes Gnaden und missverstanden. Obwohl mit den Stadthalter und den Räten in Schwerin mit der Lage und den Bedingungen vertrauten Personen vorhanden waren, misstraute Christian I. Louis diesen sein Leben lang. Je kleiner die finanziellen Spielräume wurden (je weniger Geld ihm gesandt wurde), umso deutlicher drängte der Herzog auf sein letztes Wort in allen Entscheidungen.

Der Herzog unterschrieb nur noch mit Christian.
Dokumente zum Schriftwechsel von Herzog Christian Ludwig von Mecklenburg:
https://www.digitale-bibliothek-mv.de/viewer/image/PPNLHAS_2_12-1_24Nr223/26/



Am Ende des Lebens. Im Exil.
Als 1688 zwischen Frankreich und dem Reich der Pfälzische Erbfolgenkrieg begann, stand Christian I. Louis Reichsfürst automatisch auf der Seite der Feinde Frankreichs. Ein offener Konflikt zwischen dem Reich und Christians neuer Heimat Frankreich wäre für ihn eine Katastrophe gewesen. Er hatte Pflichten gegenüber Kaiser und Reich. So war dem mecklenburgischen Herzog der Aufenthalt am Hof und in Frankreich verwehrt. Er ging in das niederländische Den Haag, wo er auch später verstarb. 1692 wurde er in Bad Doberan in der Gruft seines Vaters beigesetzt.


Doberan

 

Grabplatte von Christian I.  Louis im Doberaner Münster neben seien Vater Adolf Friedrich I. und seiner Mutter Anna Maria


Was bleibt.
Die stetige Abwesenheit und der Anspruch, in allem dennoch aus der Ferne als letzter zu entscheiden, ohne echte Partnerschaften hatten die Verwaltung des Landes und das Leben der Bewohner bedroht. Die Spannungen in Mecklenburg waren gewachsen. Der Versuch seines Bruders Friedrich, die Regierung zu übernehmen, war gescheitert. Im September 1680 weilte Christian I. Louis letztmals in Schwerin.
Selbst ohne Kinder, bestimmte er den Neffen Friedrich Wilhelm, den Sohn seines ungeliebten Bruders Friedrich zu seinem Nachfolger.
Von Christian I. Louis von Mecklenburg-Schwerin ist heute wenig geblieben. Dazu gehören wenige Bilder, die Erinnerung an einen Totalversager, über den man in Paris beschwörend am Hofe lacht, seine Bibliothek mit 600 Büchern und ein besonderes Buch, der Rostocker Große Atlas. Die Briefe Christian I. Louis sind noch nicht ausgewertet.
34 Jahre Abwesenheit und das glorreiche Scheitern des Herrschers hat zur Rückständigkeit Mecklenburgs beigetragen. Bild: Herzog Christian I. Louis von Mecklenburg-Schwerin, vor 1663 Kupferstich/ Papier


Kartenbuch Niederlande, Frankreich, Italien 1581 als Reiseatlas nach den Wünschen Christian I. Louis zusammengestellt, Im Reiseatlas ist die Frankreichkarte zerknittert, da sie oft von Christian I. benutzt wurde.


Christian I. Louis besaß nicht nur eines der größten Bücher der Welt, sondern auch eine Ausgabe des teuersten Atlanten seiner Zeit.

Quelle: Ausstellung „Ich, Christian I. Louis“ im Kulturhistorische Museum Rostock 07.07. bis 06.10.2024, Gedächtnisprotokoll, eigene Fotos - kein Copy and Paste, Karten von https://rosdok.uni-rostock.de/resolve/id/rosdok_bundle_0000001207, dies ist keine kommerzielle Webseite

Stand 17.10.2024 Autor: Roland Ulrich, Kontakt: ro.ro.ulrich@web.de